Gedenkveranstaltung am 8.Mai "70 Jahre Kriegsende"

Veröffentlicht am 20.05.2015 in Ortsverein

Rede von Harald Jordan, Stellvertretender Vorsitzender der SPD Waldenbuch, bei der Gedenkveranstaltung „70 Jahre Kriegsende“ 8. Mai 2015 

Waldenbuch 1945 – vom Chaos zur Ordnung 

Es ist uns, die wir der Ereignisse vor 70 Jahren gedenken, erspart geblieben, jene Tage vom Chaos zur Ordnung durchleben zu müssen, wie die Geschichte es den Zeitgenossen auferlegte. Am 20. April 1945 zeigte sich die Vorhut der französischen Armee auf den südlichen Hügeln über der Stadt. Es kam zur Beschießung, doch da man den Eroberern mit weißem Tuch, eine wahrhaft mutige Tat, entgegenging und signalisierte, dass man das Städtchen kampflos übergebe, blieben die Schäden begrenzt. 

Es folgten aber Tage, an denen die Lebensbedingungen von den einrückenden marokkanischen Sturmtruppen bestimmt wurden, Ordnung war, was die in französischen Uniformen steckenden Nordafrikaner darunter verstanden. Wie in anderen Städten.....

 

 

Waldenbuch 1945 – vom Chaos zur Ordnung 

Es ist uns, die wir der Ereignisse vor 70 Jahren gedenken, erspart geblieben, jene Tage vom Chaos zur Ordnung durchleben zu müssen, wie die Geschichte es den Zeitgenossen auferlegte. Am 20. April 1945 zeigte sich die Vorhut der französischen Armee auf den südlichen Hügeln über der Stadt. Es kam zur Beschießung, doch da man den Eroberern mit weißem Tuch, eine wahrhaft mutige Tat, entgegenging und signalisierte, dass man das Städtchen kampflos übergebe, blieben die Schäden begrenzt. 

Es folgten aber Tage, an denen die Lebensbedingungen von den einrückenden marokkanischen Sturmtruppen bestimmt wurden, Ordnung war, was die in französischen Uniformen steckenden Nordafrikaner darunter verstanden. Wie in anderen Städten, die ihnen ausgeliefert waren, gehörten für Tage Plünderungen und Vergewaltigungen zum Alltag. Die Truppen entsprachen so gar nicht den Ansprüchen einer Kulturnation, als die sich Frankreich geschichtlich versteht. Doch es ging es auch nicht um den Export der Zivilisation in ein besiegtes Land, es ging um Befriedigung feindseliger Gefühle, um aufgestauten Hass. Die Franzosen überließen die Einnahme deutscher Ortschaften und Kreise ihren nordafrikanischen Sturmtruppen. Deren gefährliches Handwerk bedeutete allemal auch Gefahr für das eigene Leben, denn es gab auf dem Weg vom Schwarzwald bis zum Schönbuch immer Scharmützel mit den zurückweichenden Deutschen. Und zumeist legte man den marokkanischen Soldaten keine Zügel an, wenn sie in deutsche Häuser drangen. Diese Zügellosigkeit war bezeichnend für die letzten Tage im April. Ob in Freudenstadt, ob in Calw oder hier.

So durchlitten die Waldenbucher Tage und Wochen der Willkür. Es war für die Männer eine Schmach, dass sie ihre Frauen nicht schützen konnten, und wer kann ermessen, wie sich die betroffenen Frauen gefühlt haben, für die die sexuelle Gewalt auch ein klinisches Nachspiel in Tübingen hatte. Dagegen waren die materiellen Folgen dieser Willkür, die erpressten Gelder unter dem Schein von Wiedergutmachungsforderungen, die Beschlagnahmungen von nützlichen Gebrauchsgegenständen, von Schlachtvieh und Produktionswerkzeugen ebenfalls schmerzhaft, aber diese Schmach war nur äußerlich und machte keine Unterschiede. Hier waren alle gleich betroffen.

Nun war dies aber auch eine Zeit der Rechtlosigkeit für die Deutschen. Ausgeliefert der Willkür der Besatzungsmacht. Die Franzosen hatten ihre Schmach durchlebt seit 1940, die Zeit der Kollaboration, das Vichy-Regime. Eine Zeit, in der die Deutschen im Alltag für Chaos und Unordnung gesorgt hatten, für Schrecken und Verrat, für Transportation und Tod. Dieser Wirbel der Gefühle von Schmach, Demütigung, Rachegelüsten wird keine Entschuldigung, aber vielleicht eine Erklärung sein für das Verhalten der Sieger gegenüber den Besiegten.

Es gab auch keine Norm für diese Tage der schrittweisen Besetzung Deutschlands. Es war noch kein Zustand des Friedens, noch hatte die Wehrmacht nicht kapituliert, kein Waffenstillstandsvertrag ebnete den Übergang zum Frieden. Den bedingungslosen Frieden gab es erst am 8. Mai. Bis dahin war der Alltag in Waldenbuch ein sehr riskantes Unternehmen. Doch das Chaos schuf sein Gegenteil aus sich selbst heraus. Die Ordnung ließ sich nicht unterdrücken. Die Abmachungen der Alliierten untereinander und die ersten Entscheidungen der Militärregierung  griffen schließlich. Auch die Sieger hatten erkannt, dass der Alltag im besiegten Deutschland der Ordnung bedurfte. So erwuchs schon in diesen leidvollen Tagen der ersten Konfrontation das Bedürfnis eine Verwaltung zu organisieren, was auch bedeutete, dass die als Gefahr empfundenen Marokkaner in eine Disziplin eingebunden wurden, die Übergriffe auf die Zivilbevölkerung verhinderten.

Als sich im Juli die Franzosen praktisch in Waldenbucher Sichtweite in ihre vereinbarte Besatzungszone zurückzogen und die Amerikaner den Ort übernahmen, war die unmittelbare Bedrohung beseitigt. Es war ein Glücksfall, dass der politisch einwandfreie Fabrikant Alfred Ritter bereit war, die ersten Monate, von September 45 bis April 46, die Aufgabe des kommissarischen Bürgermeisters zu übernehmen. Da gab es bereits Regeln für einen Alltag unter einer Besatzungsmacht die demokratische Strukturen bei allen Restriktionen geradezu verkörperte. Die amerikanische Militärregierung hatte sich zur Aufgabe gemacht, den Nationalsozialismus mit bürokratischen Verfahren aufzuarbeiten und zu beseitigen. Ab Herbst 45 waren die Entnazifizierungsausschüsse in Arbeit. Im November bildeten auf Geheiß des Böblinger Landrats Karl Landenberger, Schreinermeister, Paul Rieth, Schuhmachermeister, Gottlob Müller, Gipser und Paul Binder, Mechaniker, das Entnazifizierungskomitee. Alles Handwerker, das Handwerk hatte in Waldenbuch einen soliden Grund.

Die Waldenbucher, die seit 1933 den ideologischen Eingriff der Nazis in ihr Alltagsleben zu spüren bekamen und die sich dem Einfluss zum großen Teil auch bereitwillig  hingaben, rund fünfhundert Namen umfasst die überlieferte Mitgliederliste der NSDAP Waldenbuchs, etwa ein Viertel der Einwohnerschaft, sie spürten diesen Einfluss vielfältig: die wirkenden Kräfte waren die SA, die NS-Frauenschaft, das Jungvolk, dann die Hitlerjugend, der BDM, der Arbeitsdienst,  zu denen sich auch noch der Blockleiter und der Spitzel gesellte, der die Leute  anschwärzte – das wurde nun völlig umgekehrt.

Für die Jugendlichen zumal, denen in der Schule und in den Parteiorganisationen das Ideal des NS-Staates vermittelt worden war, die damit aufgewachsen waren und die nichts anderes kannten.  Nun galt auf einmal dieses Ideal nationalsozialistischer Persönlichkeitsbildung nicht mehr. An seine Stelle traten demokratische Werte. Das musste erst gelernt werden. Doch die neue Ordnung schuf sich zügig ihre Institutionen: die Stadtverwaltung ging an die Arbeit, und am 27. Januar 1946 schon war die erste Gemeinderatswahl. 

Doch die junge Ordnung wurde plötzlich erneut von außen bedroht. Die übergeordnete kommunale Behörde wies Waldenbuch Vertriebene zu, Landsleute aus den östlichen Gebieten des Reiches. Der Lebensraum wurde enger, die Wohnsituation war kaum zu ertragen. Man behalf sich mit der Turnhalle, mit dem Saal des Gasthofs Krone, mit dem Schloss, dem Gesinde-Haus der Firma Ritter - und mit den Wohnungen der „am stärksten belasteten Mitglieder der früheren NSDAP“. Exakt ein Jahr nach der Kapitulation, am 10.Mai 1946 erfasste die städtische Verwaltung 480 „Ostflüchtlinge“. Und der Zuzug hielt an. Man hielt das aus.

Nicht Beschaulichkeit, sondern Arbeit und Zusammenrücken im wahrsten Sinne des Wortes standen zu Beginn der neuen Ordnung. Es war ein fragiles, ein noch nicht gefestigtes Gefüge, das dennoch alle Spannungen und Überspannungen aushielt

Bei aller Enge, bei aller Beschränkung, man war nach vorne orientiert und man wollte die Herausforderung meistern. So als hätte der flüchtige Waldenbuch-Besucher Goethe eigens für das Städtle gedichtet:

Von dem Berge zu den Hügeln,

Niederab das Tal entlang,

Da erklingt es wie von Flügeln,

Da bewegt sich’s wie Gesang,

Auch dem unbedingten Triebe

Folget Freude, folget Rat;

Und dein Streben, sei’s in Liebe

Und dein Leben sei die Tat. 

Bald hatten die Ur-Waldenbucher die Erfahrung gemacht, dass das Leben der Neubürger wirklich die Tat ist. Denn diese packten an, schufen sich Lebensraum mit städtischer Hilfe und zeigten sich in ihrem Tatendrang als Seelenverwandte der schaffigen Schwaben. So schufen die Neubürger mit ihrer Lebensart, ihrer Kultur, ihrer Glaubensrichtung ihren Anteil an der Waldenbucher Nachkriegsordnung. Die SPD zumal erhielt durch sie zahlreiche Impulse.

In starker Abkehr zu den Idealen der NS-Herrschaft, war diese Ordnung vom humanistischen und auch dem klassischen Ideal des tätigen Menschen geprägt, des tätigen Menschen, der sich dem gemeinschaftlich Nützlichen und damit dem Sozialen verschreibt.  

Sucht man nach einem Waldenbucher Symbol dieser neuen Ordnung, die das Böse der NS-Herrschaft und der Nachkriegsschrecken human überschreitet, so finden wir es im

an mehreren Stellen, in der Körber-Siedlung vielleicht, in den Bauten der katholischen Gemeinde, im Vereinsleben der Stadt z.B. 

Man findet jedoch es vor allem dort, wo das angesprochene humane Persönlichkeitsbild tagtäglich angestrebt und vermittelt wird. Im Neubau der Schule auf dem Kalkofen, die rund zehn Jahre nach dem Einmarsch der französischen Besatzungsmacht fertig gestellt wurde. Symbol der neuen Ordnung, das in starkem Kontrast zum einstigen verdunkelnden NS-Ideal und seiner alltäglichen Einflüsterung für Bildung und Aufklärung und Entfaltung der guten Kräfte des Menschen steht.

 

 

 

 

 
 

Zufallsfoto

Siegfried Schulz - Gerechtigkeit

     

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